Einer der größten Sympathieträger der deutschen Sozialdemokratie wird im Oktober Leipzig besuchen. Martin Schulz heißt der Mann und ist im Hauptberuf Europaabgeordneter mit Zusatzfunktion Parlamentspräsident und Lust auf Höheres.

Vor einiger Zeit belehrte er uns  im Deutschlandfunk mit folgendem Satz: „Was sich da in Polen abspielt, hat Staatsstreich-Charakter und ist dramatisch.“ Wohlgemerkt: Dieser Kommentar vom 14.12.2015 galt nicht etwa der gewaltsamen Machtergreifung durch wildgewordene Militärs, sondern dem Ergebnis demokratischer Parlamentswahlen, welches Herrn Schulz offenbar nicht behagte. Kein Wunder, wurde doch die polnische SPD-Bruderpartei SLD (übrigens Nachfolger der Jaruzelski-Regierungspartei aus kommunistischen Zeiten, daher auch von vielen Polen zutreffend als „Postkommunisten“ betitelt) trotz Listenverbindung mit anderen Linksparteien von den Wählern gleich komplett aus dem Sejm gekegelt. Schulz ist also sauer, vergreift sich sowohl inhaltlich als auch im Ton und bekommt folgerichtig von polnischen Medien eine vor den Latz.

Als der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán in seinem Land eine Volksabstimmung ins Gespräch bringt mit der Fragestellung: „Stimmen Sie damit überein, dass die Europäische Union die Macht haben sollte, die Niederlassung nicht-ungarischer Staatsangehöriger in Ungarn ohne Zustimmung des ungarischen Parlaments zu erzwingen?“ findet Schulz das „absurd“ und „perfide“.

Am 03.02.2016 konnten wir von Herrn Schulz dann im ZDF-Morgenmagazin erfahren, dass in der EU „eigennützige nationale Regierungen ihre merkwürdigen, teilweise sehr national geprägten Interessen vor den gemeinschaftlichen Lösungsprozess setzen“. Wir erinnern uns: Das sagt ausgerechnet der Herr Schulz, der zur Europawahl 2014 mit folgendem Slogan warb: „Nur wenn Sie Martin Schulz und die SPD wählen, kann ein Deutscher Präsident der EU-Kommission werden.“

Die Stadt Leipzig und die Initiative „Tag der Friedlichen Revolution – Leipzig 9. Oktober 1989“ informieren nun darüber, dass Herr Martin Schulz am 9. Oktober 2016 in der Leipziger Nikolaikirche die traditionelle „Rede zur Demokratie“ halten soll.
Ausgerechnet derjenige, der demokratisch gewählte Regierungen als „eigennützig“ bezeichnet, weil sie nicht nach seiner Pfeife tanzen, der ein Referendum fix mal als absurd abkanzelt?

Irgendwie interessiert es mich grad überhaupt nicht, was Herr Martin Schulz zur Demokratie zu sagen hat. Gut möglich, dass ich deshalb den 9.Oktober 2016 diesmal außerhalb der Leipziger Stadtgrenzen verbringe. Es ist schließlich ein Sonntag.

Tobias Hollitzer, Sprecher der Initiative „Tag der Friedlichen Revolution – Leipzig 9. Oktober 1989“ lässt sich in der Pressemitteilung vom 31.05.2016 wie folgt zitieren:

„Die gewaltfreie Wiedererringung von Freiheit und Demokratie durch die Bürger vor nunmehr über 25 Jahren ist eine zentrale Geschichtserfahrung ganz Europas. Diese gemeinsame positive Erinnerung brauchen wir gerade in Zeiten von massiven Spannungen und gewaltsamen Konflikten als einen Ausgangspunkt für die aktive Gestaltung unserer europäischen Zukunft. Dass der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, in diesem Jahr am 9. Oktober in Leipzig zu Gast sein und die Rede halten wird, zeigt die Bedeutung der Friedlichen Revolution für die weitere Entwicklung der Demokratie und unsere gemeinsame Europäische Zukunft“

Immerhin. Er sagt nicht, dass er sich freut, der Tobias Hollitzer.