„Das Ding muss weg“; mit diesem Satz soll Walter Ulbricht das Ende der Universitätskirche St.Pauli veranlasst haben. Am 30. Mai 1968 wurde gesprengt.

Nun ist das „Ding“ wieder da, die neue Universitätskirche ist fertig.

Angelehnt an Ulbrichts Bezeichnung „Ding“ wird das Gebäude heute hochoffiziell als „Paulinum“ betitelt. Erfunden hat dieses Kunstwort eine Runde aus Vertretern des Freistaates Sachsen, der Universität, der Stadt Leipzig und der Evangelischen Landeskirche im Jahr 2008.

Mehrfach wurde ich in den letzten Jahren am Augustusplatz von Touristen angesprochen und gefragt was das für eine „Kirche“ sei. Denn – ohne Zweifel – so sehen Kirchen aus.

Geplant war das alles ganz anders. Mit Schrecken erinnere ich mich noch an den Siegerentwurf aus dem ersten Wettbewerb. Die Jury war der Meinung, dem Leipziger Augustusplatz eine Art Gasherdarchitektur verordnen zu müssen.  Die Universität fand das toll, die Stadt Leipzig auch. Und der Freistaat Sachsen, der alles bezahlt, leistete keinen aktiven Widerstand.

Den meisten Leipzigern damals war das Thema offenbar auch egal. Man hatte sich ja über Jahre an das hässliche Uni-Hauptgebäude gewöhnt. Unzufrieden war nur der Paulinerverein.

Ich hatte mich nie daran gewöhnt. Und viele meiner politischen Freunde in der CDU Leipzig auch nicht.

Am 14.01.2002 fasste dann der Kreisvorstand der Leipziger CDU folgenden Beschluss:

 

Stunden vorher habe ich den Textentwurf noch mit dem Nobelpreisträger Prof. Blobel in New York abgestimmt, der sich damals in besonderer Weise für die Universitätskirche eingesetzt hat und mir am 12.01.2002 schrieb:

„Sehr geehrter Herr Maciejewski,
Sie koennen sich kaum vorstellen, wie mich Ihre Nachricht gefreut hat!!!
Es gibt jetzt also doch wieder Hoffnung fuer einen Wiederaufbau der
Paulinerkirche! Das ist grossartig und ein Glueck fuer Leipzig! Ich weiss
natuerlich, dass es bis zum Wiederaufbau noch ein weiter Weg ist. Ihr
Entwurf, wenn er von der CDU Fraktion am Montag angenommen wuerde, wuerde ganz entscheidende Weichen fuer den Wiederaufbau stellen!
Ich finde den Entwurf ausgezeichnet formuliert.“

Die Positionierung der CDU Leipzig stieß nicht auf ungeteilte Zustimmung, auch nicht in den Reihen der damals noch mit absoluter Mehrheit regierenden Sächsischen Union. Aber letztlich konnte mit vereinten Kräften die Staatsregierung auf den Pfad der Tugend zurück geführt werden.  Ein knappes Jahr später verkündete sie dann auch:

 

Das Rektorat der ehemaligen Karl-Marx-Universität, Leipzigs Oberbürgermeister und die Rechtsnachfolger der Sprengmeister von 1968 waren wenig amüsiert, wie beispielsweise diese Erklärungen zeigen:

Letztlich hat sich die Staatsregierung jedoch nicht mehr beirren lassen.

Und am Ende kam mit Erick van Egeraat einer, der verstand, was mit Erinnerung an die Sprengung von 1968 gemeint war. Oder wie mir ein Mitglied des Paulinervereins sagte: „Wir wollten die alte Kirche wieder aufbauen und bekommen nun eine Kathedrale.“

Unter dem Titel „Offenes Paulinum“ ließ die Universität am 24.08.2017 für vier Stunden die Bürger in die Paulinerkirche. Eine Dreiviertelstunde musste ich anstehen, um einen Blick ins Innere des Bauwerkes werfen zu können.

Und: „Das Ding“ sieht nicht nur von außen aus, wie eine Kirche, sondern von Innen auch. Und die Menschen in der Warteschlange sagten auch Kirche dazu. Und jeder, der Augen im Kopf hat, wird das auch tun.

Egal, ob Walter Ulbricht „Das Ding“ gesagt hat.

Und auch egal, ob eine putzige Runde das neue Kunstwort „Paulinum“ verbreitet.

Die Paulinerkirche ist wieder da. Die Universität Leipzig hat es nun in der Hand, sie als Teil eines akademischen Mikrokosmos zu etablieren oder aber den Leipzigern die von Walter Ulbricht geraubte Kirche als dauerhaft offenes Haus zurückzugeben und sie auch außerhalb von Veranstaltungen zugänglich zu machen, wie das bei Kirchen üblich ist.

Das wünsche ich mir.

„Jedenfalls ist es schön, dass an dieser Stelle etwas sehr schönes steht“, wurde mir heute geschrieben.  Auch das allein ist schon mehr, als 2002 zu erwarten war…

 

 

Ansbert Maciejewski 24/08/2017