Leipzig, Limo aus Österreich und erstklassiger Fußball

 

Auch Tage danach fühlt es sich immer noch gut an. RB Leipzig hat es geschafft, ist vor ausverkauftem Stadion in die 1.Bundesliga aufgestiegen und Leipzig darf sich nun auf den FC Bayern, Dortmund und den HSV freuen. Leipzig ist jetzt endgültig kein weißer Fleck mehr auf der deutschen Fußball-Landkarte.
Der Leipziger Fußballfan hatte es nie einfach. Während es in Dresden immer nur Dynamo-Einfalt gab, musste man sich in Leipzig entscheiden. Lok oder Chemie. Ich hab seit meinem ersten Stadionbesuch am 29.09.1982(Lok Leipzig/Viking Stavanger) immer irgendwie beides mitgenommen, ziemlich gleichmäßig verteilt auf blau-gelb und grün-weiß.
Manchmal will man sich nämlich gar nicht entscheiden, sondern einfach nur guten Fußball sehen. Und erfolgreichen Fußball. In jüngster Zeit wurde hierfür auch der Begriff „Eventfan“ erfunden.
Ja, es war ein Wahnsinnsgefühl, als 14jähriger völlig durchnässt und durchgefroren dabei gewesen zu sein, als die Loksche 1986 (übrigens vor weniger als 20.000 Zuschauern im Zentralstadion!) bei Mistwetter kurz vor Spielende Rapid Wien doch noch aus dem Europacup rauswarf. Und es war natürlich unglaublich schön, René Müllers Elfer gegen Girondins Bordeaux live erleben zu können. Und danach auf der Jahnallee mitten in der Nacht den Finaleinzug zu feiern, wohl wissend, dass die Reise nach Athen nur Auserwählten vergönnt sein würde. Und natürlich sind da die positiven Erinnerungen an den Bundesligaaufstieg des VfB Leipzig Anfang der 90er.
Auch die Relegationsspiele der Chemiker gegen Union Berlin Anfang der 80er Jahre werd ich nie vergessen. Oder den Oberliga-Staffelsieg des FC Sachsen 2003 in Hof und der nachfolgende Aufstieg in die Regionalliga nach dem Gewinn der Relegation.
Das alles sind schöne Erinnerungen. Aber weder in Leutzsch noch in Probstheida hat man was draus gemacht. Im Gegenteil: Entweder hat man sich selbst zerlegt oder unfähige Vorstände, die immer alle demokratisch durch Vereinsmitglieder gewählt wurden, haben das getan.
Und irgendwann ist der Punkt erreicht, wo man sich sagt: sorry, ich hab genug gelitten. Ich interessiere mich jetzt endgültig nur noch für die Nationalmannschaft, den FC Bayern oder den BVB und finde mich damit ab, dass es in meiner Heimatstadt offenbar keinen erfolgreichen Fußballverein gibt. Ist zwar schade, schließlich sind wir DFB-Gründungsort, aber man kann es eben nicht ändern. Und andere Halbmillionenstädte haben auch keinen Erstligaverein. Obwohl … mit Düsseldorf oder Essen will sich das weltgrößte Leipzig ja nun auch nur ungern vergleichen. Hamburg, München und Berlin sind da schon eher unser Maßstab…
Wie auch immer – nachdem ich unter Schmerzen die mehrjährige Mitgliedschaft beim FC Sachsen beendet hatte, begab ich mich also 2009 erstmals auf den Weg nach Markranstädt. Ich gebe zu, es war mehr Neugier als Hoffnung dabei. Ich wollte zunächst einfach nur gucken, was der österreichische Limofabrikant dort eigentlich anstellt. Und was keiner gedacht hätte: Es wurde auch tatsächlich Fußball gespielt. Und man musste eine Eintrittskarte kaufen(!). Kostenlos Red Bull gab es nicht, aber man wurde gut unterhalten. Das genügte mir erstmal.
Das Publikum war angenehm, fußballinteressiert und –kundig, Fäkalsprache kam nicht zur Anwendung, Schmähungen des Gegners ebensowenig. Man war ziemlich entspannt, nahm sich selbst nicht so wichtig und gern mal auf den Arm. Bis heute übrigens. Ansätze eines „Fanblocks“ waren bereits in Markranstädt erkennbar, also wir reden hier über maximal zwei Dutzend Personen. Das änderte auch nur langsam. Immer öfter traf ich aber auch in Markranstädt auf frustrierte und interessierte Ex-Anhänger der Grünweißen oder Blaugelben Fraktion. Auch zugezogene Neu-Leipziger konnte man treffen. Häufiger Satz: „Daheim war ich immer bei …(beliebigen Verein einsetzen), ich will hier auch zum Fußball, aber nach Leutzsch oder Probstheida kann ich mit meinen Kindern ja nicht gehen. Bei RB konnte man von Beginn an einen für Leipziger Verhältnisse ungewohnt hohen Anteil an weiblichen Fans und Kindern feststellen.
Oberliga- und Regionalligaspiele waren nicht immer vergnügungssteuerpflichtige Veranstaltungen. Ich hab manchmal ziemliches Gegurke der eigenen Mannschaft und miserable Schiedsrichterleistungen ertragen, ganz nebenbei aber auch die Sportplätze der lieblichen sächsischen Provinz oder in Lotte und Magdeburg kennengelernt und letztlich bisher mehr Aufstiege gefeiert, als mancher „Traditionsfan“ in den letzten 30 Jahren erleben durfte.
Mit der Tradition ist das ja so ein Ding. Richtig ist: Tradition kann man nicht kaufen. Tradition kann man aber auch nicht einfach so für sich beanspruchen. Und für die Fußballtradition in Leipzig sind nun mal Vereine verantwortlich, die es heute nicht mehr gibt.
Es ist ziemlich absurd, dass ein grade Volljähriger (die heutige BSG Chemie Leipzig wurde am 16. Juli 1997 gegründet) und ein Pubertierender (der 1. FC Lok wurde am 10. Dezember 2003 gegründet) einem Grundschüler (RB Leipzig gibt es seit dem 19. Mai 2009) erklären wollen, dass nur sie selbst rechtmäßig Großvaters Erbe hüten würden.
Die Leipziger Fußballtradition gehört ganz Leipzig und nicht den selbsternannten Traditionsverwaltern.
Es wäre schön, wenn die Fanlager in Leutzsch und Probstheida sich künftig weniger mit dem jeweils anderen oder mit RB beschäftigen. Das hat schon in der Vergangenheit nichts gebracht und wird auch in Zukunft keine Erfolge bringen.
Die Botschaft nach Leutzsch und Probstheida kann nur lauten: Spielt Fußball, gewinnt eure Spiele, und ich werde mich freuen, weil Leipzig gewinnt. Und verliert ihr, werde ich es bedauern, weil Leipzig verliert. Konzentriert euch bitte auf den Sport, auf die Unterstützung eurer Mannschaften, und nicht darauf, andere schlecht zu machen. Dadurch wird man selbst nicht größer.
Leider hat man sowohl in Leutzsch, als auch in Probstheida verpasst, RB zum Aufstieg zu gratulieren. Jedenfalls habe ich in den sozialen Netzwerken nichts gefunden. Der 1. FC Nürnberg hat das hingekriegt. Respekt! Und ich gehe eigentlich fest davon aus, dass RB Lok und Chemie zum Aufstieg gratulieren wird, so es dazu kommt.
Nun ist Leipzig also in der ersten Bundesliga. Auch ein Grund, mal Danke zu sagen. Dankeschön an: Die Mannschaft, den Trainer und das gesamte Team, an alle, die bei RB beschäftigt sind, sich um Nachwuchs, Verwaltung, Organisation und vieles andere hinter den Kulissen kümmern. Dankeschön an Herrn Mateschitz, der die ganze Party bisher bezahlt hat, Und natürlich Dankeschön an die Geburtshelfer in Markranstädt beim SSV. Vermutlich ist die Aufzählung unvollständig. Wer noch genannt werden will, kann sich gern melden.
Zur Wahrheit gehört aber auch: nicht alles ist Erstligareif in Leipzig.
Das Stadion ist kein neues Stadion mehr, sondern mittlerweile 12 Jahre alt. Es ist soweit ganz hübsch, aber nicht besonders funktional. Jeder der dort öfter ist, weiß aber auch um die Defizite. Die Anreise ist sowohl mit PKW als auch mit ÖPNV weitestgehend eine Zumutung. Das Problem der Parkplätze für Gästefans will ich lieber gar nicht erst vertiefen.
Der Einlass ins Stadion funktioniert mal besser und mal schlechter, in den seltensten Fällen scheint das aber mit der Zuschauerzahl zusammenzuhängen. Ich hab schon bei 20.000 Zuschauern 45 Minuten am Einlass verbracht, bin aber auch schon bei über 30.000 in einer Viertelstunde drin gewesen.
Es ist im Stadion völlig aussichtslos, zum Halbzeitpfiff in Richtung Bratwurst/Bier oder WC aufzubrechen, auch nur einen der Wege zu erledigen und zum Wiederanpfiff pünktlich zurück am Platz zu sein.
Ich höre mit Interesse, dass eine Erweiterung der Zuschauerkapazität geplant ist. Wenn nicht gleichzeitig Sanitärbereiche und die Cateringversorgung deutlich erweitert werden, wird das Ganze eine mittelschwere Katastrophe. Im Übrigen, auch wenn der Oberbürgermeister andere Botschaften verkündet: Ich glaube nicht, dass ein vielleicht auf 55.000 Zuschauer aufgepumptes Stadion in 10 oder 15 Jahren noch der Hauptspielort von RB Leipzig sein wird. Wer „auf Augenhöhe“ mit dem BVB oder dem FC Bayern agieren will, kann es sich auf Dauer nicht leisten, 25.000 Tickets weniger pro Heimspiel zu verkaufen, als die Konkurrenz. Ich will hoffen, dass ein neues Stadion dann nicht irgendwo hinter Schkeuditz entstehen muss, weil die Stadt Leipzig gepennt hat und innerhalb der Stadtgrenze kein geeignetes Grundstück mehr verfügbar ist. Die Zeit wird es zeigen…
PS: Als Stadtrat begrüße ich außerordentlich, dass RB Leipzig nicht auf Dauerinfusionen aus dem ohnehin klammen städtischen Haushalt oder Sponsoring kommunaler Unternehmen angewiesen ist. Schön, wenn der Sport von der Politik finanziell unabhängig ist. Politiker sollten ohnehin nicht im Sport rumrühren, vor allem, weil das meistens schief geht. Und sie sollten sich auch nicht im Erfolgsfalle schnell einen Schal um- und den Fußballfan raushängen lassen. Auch Videobotschaften und mehrspaltige Interviews von Politikern sind entbehrlich, besonders dann, wenn sich diese sonst eher selten im Stadion aufhalten und ohnehin niemals außerhalb des V.I.P.-Bereiches. Das ist dann nämlich nicht authentisch, sondern Trittbrettfahrerei. Fußballfans sind nicht doof. Die merken sowas und pfeifen dann schon mal.

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6 Kommentare

  1. Noack

    Bei Red Bull geht es aber nur als Mittel zum Zweck um „Sport“. Es geht um die Präsentation der Marke.
    Leider ist der Sport zu oft von der Politik abhängig. Gerade bei Themen wie Infrastruktur von Sportanlagen & Nachwuchs(Leistungs-)sport wird in Leipzig/Sachsen/Deutschland viel zu wenig gemacht. Auch das Projekt „Red Bull“ ist von der Stadt-Politik abhängig – siehe Gelände für die Akademie, Parkplätze etc. Auch hier geht es um (viel) Geld.
    Red Bull-Fußball mit wirklichem Sport gleichzusetzen verbietet sich., finde ich. Hier wird ein Luxusweg bestritten, der im Deutschen Fußball = Sport einzigartig ist. Erst Geld, dann Leistung. Im wirklichen Leben ist es für den Normalbürger anders herum! Insofern sollte man sich als Stadt auch nicht damit schmücken! Rein sportlich ist RBS auf gutem Weg, da auch die Mannschaft erst die Tore für einen Aufstieg schießen mußte. Auch in Liga 2: Porsche fuhr = spielte gegen jede Menge Wartburg. Da Resultat erahnt man. Profifußball in Deutschland hat sehr wenig mit dem wahren Sport und deren echten Problemen zu tun.

  2. Lieber Noak,
    für Unternehmer, bzw. Schaffende gilt schon immer, dass erst Kapital zur Umsetzung einer Idee da sein muss, bevor die Leistungsentfaltung stattfinden kann. Ein Porsche, der noch nicht gebaut wurde, kann noch keine Rennen gewinnen. Dafür sind Investitionen nötig. Das ist schon lange so und wird vermutlich auch noch lange so bleiben.

    • Noack

      Liebe Polenzz. 😉
      Genau das ist das Problem: Ihr seht es offensichtlich als Investment. Der traditionelle Fußballfan als Sport. Die Reaktionen auf das Investment werdet Ihr in den Fußballstadien Deutschlands bald noch deutlicher als in Liga 2 hören…
      Grüße an Deinen Mann!

      • Tobias

        Lieber Noak,

        ich habe zwar keine Ahnung, an wen du da gerade geschrieben hast, aber auch du scheinst da etwas falsch zu verstehen. Mir geht es darum, dass mittlerweile, so unschön das auch sein mag, eben eine finanzielle Unterstützung zwingend notwendig ist, wenn man sportlich erfolgreich sein möchte. Und das es selbst damit nicht unbedingt etwas sieht man an zahlreichen anderen Beispielen deutschlandweit. Wie uns immer entgegnet wurde: Geld schießt keine Tore. Absolut korrekt. Das sportliche muss erstmal erarbeitet werden. Und das ist bei einer Zusammenstellung von Spielern unterschiedlicher Herkunft vielleicht sogar schwerer, als bei einer Mannschaft, die schon jahrelang zusammenspielt und insgesamt auf dem Papier vielleicht „schlechter“ ist. Fakt ist, möchte man hochklassigen Fußball in der heutigen Zeit sehen, dann muss ein solcher Investor, wie RB gefunden werden. Möchte man das nicht akzeptieren, dann darf man Fußball auf allen Seitenplätzen dieser Welt ab der 3./4. Liga abwärts anschauen.

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