Stadtrat Ansbert Maciejewski, Redemanuskript zur DS V/3706 (Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber/-innen und Flüchtlinge in der Stöckelstraße 62), Ratsversammlung am 21.05.2014

Es ist nicht ganz einfach, zu einem Thema wie diesem zu sprechen. Reflexhaft wird aus der linken politischen Ecke schnell mal Rassismus vorgeworfen oder Kaltherzigkeit unterstellt. Ich will den Versuch machen, das Thema der Vorlage 3706 nüchtern zu betrachten. Auch wenn mir vermutlich schon allein diese Ankündigung den Vorwurf sozialer Kälte einbringt. An vielen Orten auf der Welt müssen Menschen flüchten. Kriege und wirtschaftliche Not treiben Menschen nach Europa, nach Deutschland und auch nach Leipzig. Unser Grundgesetz garantiert politisch verfolgten Asylrecht. Das ist gut und richtig so.
Wie in der Leipziger Stadtverwaltung mit der Flüchtlingsunterbringung umgegangen wird, ist jedoch weder gut noch richtig und schon gar nicht transparent.
Da werden nach Belieben Ratsbeschlüsse herbeigeführt und wieder aufgehoben, ich erinnere nur an die Standorte in Portitz und der Pögnerstraße. Und nun soll nach dem Willen der Verwaltung auch die Bornaische Straße gestrichen werden. Wir lehnen das ab. Alles andere wäre auch ein fatales Signal. Vandalismus darf kein probates Mittel zur Verhinderung von Asylbewerberunterkünften sein.
Konzepte sind offenbar Fehlanzeige. Statt einer offensiv agierenden sehen wir eine planlos reagierende Stadtverwaltung.
Am 30.April erreichte uns die Eilvorlage, über die wir heute sprechen. Wieder kein schlüssiges Gesamtkonzept, sondern erneut ein Einzelbeschluss, diesmal zur Errichtung einer Asylbewerberunterkunft in der Schönefelder Stöckelstraße 62.
Die wenigsten von ihnen, sehr geehrte Damen und Herren Stadträte, werden die Örtlichkeiten kennen, sicher war auch kaum jemand von Ihnen vor dem 30.April mal dort. Die meisten vermutlich auch danach nicht. Dennoch werden heute alle abstimmen.

Es handelt sich um ein Eckhaus, Stöckelstraße Ecke Gorkistraße, direkt am Stöckelplatz.
Drei Etagen, Auf jeder Etage zwei 4-Raum und eine 2-Raum-Wohnung. Optimale Raumzuschnitte. 60 Personen sind perfekt unterzubringen. Der Hof ist vielleicht – vorsichtig formuliert – etwas klein, um alles umzusetzen, was die Verwaltung letzte Woche im Stadtbezirksbeirat Nordost versprochen hat. Aber ich schiebe das mal auf die mangelnde Ortskenntnis.

Im Erdgeschoss befindet sich ein Laden. Und genau dieser Elektronikhändler stört. Er wurde gekündigt. Und das bereits im Januar. Von einem Eigentümer, der scheinbar schon wusste, dass er künftig von der Stadt Leipzig 7,72 Euro Kaltmiete bekommen würde.
Das Sozialamt – nach eigener Aussage seit Ende letzten Jahres im Gespräch mit dem Eigentümer – hatte offenbar Kenntnis von der Kündigung und fand sie auch gut.
Deshalb gibt es auch die wunderschöne Skizze in Anlage 1 der Vorlage. Ohne Ladenzone im Erdgeschoss.
Jetzt behauptet man in Sozialdezernat natürlich, kein Problem mit dem Verbleib des Händlers zu haben. Vielleicht hätte man sich mal vorher mit den Kollegen von der Wirtschaftsförderung unterhalten sollen. Die kennen sich nämlich aus. Und wissen auch, wie wichtig kleine Einzelhändler für eine Geschäftsstraße sind.

Was denkt sich wohl ein Geschäftsinhaber, der im Januar zum 1.8. gekündigt wurde, wenn er erst drei Monate lang von der Stadt gar nichts gehört hat und dann auf einmal alles mögliche behauptet wird.
Richtig.
Er denkt sich: Lasst mich doch alle in Ruhe, Ich muss sehen, wie mein Geschäft weiterläuft. Ich muss davon meine Familie ernähren, ich bin nämlich nicht im Öffentlichen Dienst.
Und da hat er Recht. Ich bitte den Wirtschaftsbürgermeister eindringlich, Herrn Dähn bei der Suche nach einem neuen Standort für sein Geschäft nach Kräften zu unterstützen.

Es gibt im Übrigen hervorragendes statistisches Material aus dem Sozialdezernat. Ich kann die Lektüre des Sozialreports nur jedem ans Herz legen. Man kann sehr viel lernen.
– Es gibt in Leipzig 63 Ortsteile, davon neun mit mehr als 20% Leipzigpassinhabern. Schönefeld ist dabei.
– Bei der Arbeitslosenquote ist Schönefeld unter den Top 10.
– Betrachtet man den Anteil der Sozialgeldempfänger an den unter 15 –Jährigen – Schönefeld ist unter den TOP 10.
An der 21.Grundschule in Schönefeld kommt übrigens die Hälfte der Kinder aus Hilfeempfänger-Familien.
Unter Anderem wegen dieser Sozialdaten hat die Stadtverwaltung vor einiger Zeit das Schlagwort vom „Aufwertungsgebiet Schönefeld“ erfunden.

Jenseits aller Diskussionen über die kulturelle Bereicherung durch Zuwanderung muss deshalb die Frage gestattet sein: Werden sich die nackten Sozialdaten in Schönefeld durch die Eröffnung der Asylbewerberunterkunft verbessern oder verschlechtern? Ich denke, letzteres wird der Fall sein.
Aber diese Frage muss jeder, der dieser Vorlage heute zustimmt, für sich selbst beantworten. Ich jedenfalls werde nicht zustimmen.
Lassen Sie mich noch eins zum Abschluss sagen: Die Grüne Partei hat in einer Pressemitteilung heute Mittag aufgeschrieben, dass sich, der CDU-Stadtrat Ansbert Maciejewski auf die Seite der Neonazis stellt. Wissen Sie, eigentlich sollte man das vielleicht nicht kommentieren. Wer mich kennt, weiß um die Absurdität solcher Vorwürfe. Den Namen meines Urgroßvaters finden Sie in der Opferliste des KZ Dachau. Meine Eltern sind beide als Kinder selbst Flüchtlinge gewesen. Ich habe in den 90ern zahlreiche Hilfstransporte in die Herzegowina, nach Bosnien und Kroatien gefahren. Ich habe Flüchtlingslager von innen gesehen.
Und ich brauche nicht nur deshalb bestimmt keine politische Nachhilfe von vier grünen Kommunalwahlkandidatinnen, die grad mal einen Wahlinformationsstand machen, die ich aber sonst noch nie in Schönefeld gesehen habe. Ich bin offen gesagt erschüttert über dieses niedrige Niveau zum Ende des Kommunalwahlkampfes. Liebe Grüne Fraktion, ich kenne Sie eigentlich ganz anders. Sorgen Sie bitte, bitte dafür, dass künftig wieder mehr Bündnis 90 und weniger westdeutsch-grün geprägte 80er-Jahre-Ideologie gezeigt wird.

Vielen Dank!