In Berlin gibt es eine Straße, die nach einem Zwanzigjährigen benannt ist. Die Chris-Gueffroy-Allee.

Chris Gueffroy war das letzte Opfer des Schießbefehls an der innerdeutschen Grenze.

Chris Gueffroy ist der einzige Name eines Maueropfers, an den ich mich bewusst erinnern kann. Er war nur wenige Jahre älter als ich damals. Und er hat es nicht mehr ausgehalten, eingesperrt zu sein.

Gueffroy versuchte, am 5.Februar 1989 die Grenze zu überwinden, die Mauer zwischen Ost- und Westberlin. Unbewaffnet, gemeinsam mit einem Freund. Chris Gueffroy wurde sprichwörtlich hingerichtet, wie man in einem Brief von Erich Mielke an Erich Honecker nachlesen kann: „Nachdem sie auf mehrere Anrufe und einen Warnschuß nicht reagierten und das vordere Sperrelement zu überwinden versuchten, wurden von den Grenzposten gezielte Schüsse auf die Grenzverletzer (21 Schuß) abgegeben.

21 Schuss…

Chris Gueffroy wurde ins Herz getroffen und starb noch im Grenzstreifen.

Die beteiligten Grenzsoldaten erhielten 150 Mark Prämie und ein Abzeichen, auf dem „FÜR AUSGEZEICHNETE LEISTUNGEN“ zu lesen ist.

Mich ärgert es, wenn heute von interessierten politischen Kreisen immer wieder versucht wird, Menschen, die der DDR entrinnen wollten, mit heutigen Wirtschaftsmigranten aus Afrika gleichzusetzen.

Am 12.August 2018 teilte der Migrantinnen- und Migrantenbeirat der Stadt Leipzig bei Facebook ein Foto auf dem man lesen kann „Ostdeutsche Wirtschaftsflüchtlinge in der Prager Botschaft 1989 – und alles nur junge Männer“ und kommentierte das mit den Worten „Zur Relativierung der aktuellen Debatte…“

Ich bin mir nicht sicher, ob dieses Posting einen Tag vor dem 57.Jahrestag des Baus der Berliner Mauer eine Dummheit, eine Geschmacklosigkeit, oder aber eine bewusste Dreistigkeit aus politischem Kalkül heraus ist. Vermutlich handelt es sich um eine Mischung aus Allem.

Ich halte das für unsäglich. Und ich finde, es ist an der Zeit, dieser zynischen Geschichtsklitterung die eigene Erinnerung entgegenzusetzen.

Ich kenne sehr viele Menschen, die vor 1989 die DDR verlassen haben. So oft wie 1988/89 hab ich nie wieder auf dem Leipziger Hauptbahnhof gestanden und weinend gute Freunde Richtung Bundesrepublik verabschiedet – in der festen Überzeugung, diese nie wieder zu sehen.

Das Stellen eines Ausreiseantrages hatte berufliche und soziale Benachteiligung durch staatliche Restriktionen zur Folge und war mit Schikane und Kriminalisierung verbunden. Jeder wusste das, jeder kannte Beispiele dafür.

Man nimmt  Derartiges nicht wegen Nutella oder Bananen auf sich. Vielmehr bin ich überzeugt, dass kein Einziger aus meinem Bekanntenkreis aus solch einem Grund seinen Ausreiseantrag gestellt hat. Und ganz bestimmt gilt das auch für alle, die versuchten „illegal“ von Ost nach West zu gelangen.

Die Erben der Mauerbau- und Mauerschützenpartei  stellen heute auf ihrer Internetseite fest: Die Schüsse an der Mauer auf eigene Bürgerinnen und Bürger, die ihren Staat verlassen wollten, stellen eine Verletzung elementarer Menschenrechte dar und sind durch nichts zu rechtfertigen.

Wohlgemerkt: Nur die Schüsse. Nicht die Mauer an sich…

Wir dürfen nicht vergessen, dass die angeblich wissenschaftliche Weltanschauung, in deren Tradition sich die Linke bis heute sieht, letztlich zu Mauerbau und Schießbefehl geführt hat.

Und wenn man als CDU-Politiker aus Schleswig-Holstein gerade mal über politische Koalitionen sinniert, sollte man das nicht ganz ausblenden.

 

 

13/08/2018

Ansbert Maciejewski