Werter Herr zur Nedden,
vielen Dank für Ihr Schreiben.
Ich freue mich, dass Sie sich offensichtlich persönlich einen Eindruck von meinem Facebookeintrag vom 22.05. verschafft haben. Noch besser wäre es natürlich gewesen, wenn Sie Ihre Auffassung dazu gleich unter den Beitrag gepostet hätten – Stichwort: öffentlicher Dialog. Aber gut. Dass sich Teile der Stadtverwaltung bezüglich des Web 2.0 – wenn überhaupt – im Übungsstatus befinden, wundert mich nun auch nicht wirklich. Sei’s drum.
Ich erlaube mir jedenfalls, meine Antwort nicht nur an Sie und den von Ihnen gewählten Verteiler zu senden, sondern auch den Bürgerinnen und Bürgern in meinem Wahlkreis via Facebook bekannt zu geben. Vielleicht besuchen Sie meine Seite erneut – Sie sind herzlich eingeladen! Der Oberbürgermeister – selbst fb-Nutzer – erklärt Ihnen sicher gern, wie das mit Facebook funktioniert.
Es ist ehrenwert, wenn Sie sich als Bürgermeister vor Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen. Diese noble Geste wird aber umgehend konterkariert durch die Tatsache, dass Sie sich eigentlich hinter ihnen verstecken. Denn im Fokus meiner Kritik stehen nicht die „Matrosen“ und „Bootsleute“, sondern Sie als „Kapitän“. Und das wissen Sie auch.
Sie unterstellen mir eine Aufforderung zur Missachtung von Ratsbeschlüssen. Das wundert mich nicht wirklich. Wie nicht anders zu erwarten, schieben Sie wieder den so genannten „STEP“ Zentren vor. Selbiger ist vom Rat beschlossen, wie Sie richtig anmerken. Ohne meine Stimme übrigens – aber das soll hier nicht die Rolle spielen.
Es ist nicht der erste Konflikt, den die Bürgerinnen und Bürger, die Investoren und die gewählten Vertreter im Stadtrat mit Ihrem Dezernat haben. Die Beispiele aus dem Leipziger Nordosten sind Ihnen hinreichend bekannt.
Wir haben nur diese eine Stadt. Aber anstatt unsere Stadt zu entwickeln, produziert Ihr Dezernat „Stadtentwicklung und Bau“ jede Menge Stadtentwicklungspläne und diverse Teilpläne, um sie im Rat beschließen zu lassen. Dies geschieht entweder durch Sie toleriert oder, was ich schlimmer fände, unter Ihrer aktiven Leitung.
Jedenfalls werden diese Beschlüsse regelmäßig von Ihnen als Ermächtigungsgrundlage missbraucht, um Entwicklungen zu be- bzw. verhindern. Ich persönlich kann mich jedenfalls nicht erinnern, wann aus Ihrem Dezernat im Bezug auf STEP Zentren zu einer Investorenanfrage zuletzt ein konstruktiver Lösungsansatz vorgebracht und umgesetzt wurde – und ich arbeite in diesem Jahr bereits seit 14 Jahren im Stadtrat zu Leipzig.
Es drängt sich der Eindruck auf, dass in Sachen Investitionsverhinderung in den Teilen der Stadt, die den Planern nicht so sehr ans Herz gewachsen sind, eine besondere Leidenschaft entwickelt wird.
Ich weiß, wovon ich rede. Schließlich gehört – wie Sie wissen – Schönefeld zu meinem Stadtratswahlkreis. Das Agieren Ihres Dezernates wird von den Bürgerinnen und Bürgern bei uns vor Ort in den vergangenen Jahren nicht selten mit dem Schlagwort „undemokratisch“ versehen. Ich halte das für nicht ganz ungefährlich. Sei es durch mangelndes Augenmaß, durch mangelnde Kommunikation oder gar mangelndes Interesse an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger bei uns im Nordosten – dem guten Ruf der Leipziger Stadtplanung ist das alles jedenfalls alles andere als zuträglich. Ich gehe sogar weiter – das, was Nils Gormsen in den 1990ern mühsam aufgebaut hat, haben Sie und ihr Vorgänger ohne große Sensibilität wieder eingerissen – im Nordosten und anderswo. Das Bild, was die Leipziger Stadtplanung – mindestens für Nordost – derzeit abgibt, produziert jeden Tag neue Sargnägel für die Akzeptanz Ihres Dezernates bei den Bürgerinnen und Bürgern.
Gestatten Sie mir noch einen persönliche Bemerkung. Sie hatten das historische Glück, Ihr ganzes Leben unter dem Grundgesetz leben zu dürfen. Insofern ist es unter Umständen schwierig, sich in jene Menschen hineinzufühlen, die bis 1989 überall und umfassend von „Plänen“ umgeben waren, denen sie ihr berufliches, staatsbürgerliches und nicht selten auch privates „Glück“ zu entnehmen hatten. Die Ereignisse im Herbst 1989 haben gezeigt, was die Menschen von solcherlei Bevormundung halten. Nun ist mir vollständig klar, dass es ohne geordnete Regeln in einer Gesellschaft nicht geht. Aber die Regeln sind für die Menschen da, nicht umgekehrt. Was ich aus Ihrem Dezernat absolut vermisse, ist mal eine Idee, wie es denn gehen kann, anstatt immer nur Begründungen, warum und wie es nicht geht. Sie dürfen sich also nicht wundern, wenn die Leute vor Ort dann Ihre Pläne mit denen der Zeit vor 1989 vergleichen und mit dem Attribut „undemokratisch“ versehen – und wenn dies dann beim xten Erleben in einer stark polarisierten Satire mündet.
Insofern werden Sie mit den von Ihnen kritisierten Begriffen leben müssen – ob Sie sich damit in der Nähe des ehemaligen Staatsratsvorsitzenden befinden, überlasse ich Ihrer privaten Einschätzung. Ganz so weit würde ich persönlich dann aber doch nicht gehen …
Abschließend möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich mich auch künftig nicht am Tanz um das Goldene Kalb „STEP“ beteiligen werde. Auch ein Bürgermeister hat Ermessensspielraum. Nutzen Sie ihn, anstatt es sich auf dem schönen Möbelstück „Lange Bank“ bequem zu machen. Dafür ist unsere Stadt zu schade.
Ich will, dass mein Leipzig – grade auch in den weniger im öffentlichen Fokus stehenden Stadtteilen – schöner und lebenswerter wird. Ich bin mir schon seit einiger Zeit nicht mehr sicher, ob Sie dieses Ziel teilen.
Hochachtungsvoll
Ansbert Maciejewski
Stadtrat
Leipzig, 31. Mai 2012
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