Der Leipziger Stadtrat hat am 18.01.2017 einen Antrag der Linksfraktion zur Einführung der Ortschaftsverfassung im gesamten Leipziger Stadtgebiet diskutiert und mit 26:39 Stimmen abgelehnt.

Hier mein Redebeitrag aus der Ratssitzung:

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

meine Damen und Herren Stadträte,

liebe Gäste,

 

bereits 2008 und 2011 haben wir zum gleichen Thema hier in diesem Saal debattiert und abgestimmt. Nun 2017 also wieder. Leider habe ich bisher nicht allzu viel neue Argumente gehört.

Auch von mir werden Sie jetzt nicht viel Neues hören.

Die CDU-Fraktion war bisher generell für ein Nebeneinander von Ortschaftsräten und Stadtbezirksbeiräten. Auch deshalb, weil wir meinen, dass vorgeschlagene Veränderungen wie die heutige am Ende nicht zu mehr Demokratie, sondern zu mehr Bürokratie führen wird.

Meine Damen und Herren,

die Stadt Leipzig ist kein homogenes Ganzes. Wir haben eine sehr unterschiedliche Struktur von ländlichen Randbereichen bis hin zur urbanen Kernstadt.

Dies macht, so finde ich – auch einen besonderen Reichtum aus.

Und man kann feststellen: Die Identifikation der Bürger mit ihrem unmittelbaren Wohnumfeld ist ebenso wie der Wille zur demokratischen Mitgestaltung in den Randbereichen der Stadt ungleich höher ausgeprägt als beispielsweise im Stadtzentrum.

Jeder, der einen Wahlkreis hat, der sowohl altes Stadtgebiet als auch Randgebiete umfasst, weiß, dass es in den Randgebieten Leute gibt, die noch wissen, wie jemand, der drei Häuser weiter wohnt, mit Vornamen heißt. Auch das hat einen entscheidenden Einfluss auf das Engagement der Bürger und auf den Zusammenhalt, die gemeinsame Identität. Daher kann es kein allgemeingültiges Patentrezept geben, mit dem man Bürgerbeteiligung organisiert.

Der Gesetzgeber hat ausdrücklich in der Sächsischen Gemeindeordnung das Nebeneinander von Ortschaftsräten und Stadtbezirksbeiräten vorgesehen, und zwar nicht für einen gewissen Zeitraum nach einer Eingemeindung, sondern unbefristet. Wenn das eine ungleiche Behandlung der Bürger darstellen würde, würde das nicht so in der Gemeindeordnung stehen. Die Linksfraktion will nun zum wiederholten Mal die Ortschaftsverfassung auf das gesamte Stadtgebiet ausdehnen. Diesmal jedoch ohne Abschaffung der bestehenden Ortschaftsräte – man ist also doch ein wenig lernfähig.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Es lohnt sich dennoch, einmal nachzuschauen, welchen Sinn die Ortschaftsverfassung eigentlich hat.

Im Kommentar zur Sächsischen Gemeindeordnung kann man dazu Folgendes lesen: „Die Ortschaftsverfassung soll örtliche Identität und eine angemessene Eigenverantwortlichkeit der Ortschaft bewahren“ und “Die Ortsteile sollen ein erkennbares örtliches Eigenleben haben.“

Es muss schon die Frage an den Antragsteller gestattet sein, wo in Leipzig ein solches erkennbares örtliches Eigenleben vorhanden ist.

Die Leipziger Stadtbezirke sind jedenfalls eher unter statistischen Gesichtspunkten geschaffene künstliche Verwaltungseinheiten. Die Stadtbezirke werden auch keine eigene Identität erlangen, indem man sie per Ratsbeschluss zu Ortschaften erklärt.

Entschuldigen sie bitte, liebe Linksfraktion, aber kann mir vielleicht jemand von Ihnen erklären, welche gemeinsame örtliche Identität ein Gebilde „Ortschaft Stadtbezirk Nordost“ haben soll, zu dem sowohl die Siedlungen in Portitz als auch das Plattenbaugebiet Schönefeld-Ost gehören?

Oder wie ist es mit Schleußig und Knautkleeberg?

Oder mit Heiterblick und Volkmarsdorf?

Liebe Linksfraktion, sie merken selbst, dass ihre Überlegungen hierzu nicht wirklich ernst zu nehmen sind, oder?

Ich bitte den Stadtrat, diesen Antrag der Linksfraktion abzulehnen.

Und wenn Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren Stadträte schon die inhaltlichen Argumente nicht überzeugen, den Antrag abzulehnen, dann vielleicht der letzte Satz aus der Sachverhaltsbeschreibung des Antrags. Dort kann man lesen: „Der Dresdner Stadtrat hat in seiner Sitzung am 6.3.2014 einen vergleichbaren Beschluss gefasst.“

Nach Konfuzius hat der Mensch hat dreierlei Wege klug zu handeln: durch Nachdenken ist der edelste, durch Nachahmen der einfachste, durch Erfahrung der bitterste.

Der Dresdner Stadtrat hat sich für den Dritten dieser Wege entschieden.

Es ist vielleicht einfach, heute einen Dresdner Ratsbeschluss nachzuahmen.

Ich bin dennoch dafür, die Dresdner erstmal ihre Erfahrungen sammeln zu lassen.

Wir sollten derweil auf dem edelsten der drei Weg bleiben. Und weiter nachdenken.

 

Vielen Dank!