Die Forderung nach Meinungsfreiheit, der Ruf nach freien, unabhängigen Medien war ein wesentliches Anliegen der Leipziger Montagsdemonstrationen im Jahr 1989. Pressefreiheit ist auch heute noch nicht selbstverständlich. Leider.
Auf den Tag genau zehn Jahre nach der Ermordung der russischen Journalistin Anna Politkowskaja lud die Medienstiftung der Sparkasse Leipzig gestern zur Verleihung des „Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien“. Mit dem Preis wird seit 2001 Engagement für Pressefreiheit gewürdigt. Die Preisträger des Jahres 2016 sind Can Dündar und Erdem Gül von der türkischen Zeitung Cumhuriyet. Ein Bericht des Blattes über geheime Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes an Islamisten in Syrien, führte zur Inhaftierung der beiden Journalisten, zu Anklage und Verurteilung.
Dündar lebt seit einiger Zeit in Berlin und konnte nach Leipzig reisen. Gül durfte den Preis nicht persönlich entgegennehmen, das türkische Regime hat ihm den Paß abgenommen und die Ausreise verwehrt.
Can Dündar ist ein beeindruckender Mensch. Kein Oppositioneller, keiner, der eine Regierung stürzen will. Einfach nur ein Journalist. Einer, dem man abnimmt, dass er Journalismus lebt. Dem man abnimmt, dass es ihm darum geht, die Wahrheit ans Licht zu bringen, zu informieren, Öffentlichkeit herzustellen. Ganz im Sinne von Hanns Joachim Friedrichs „Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache – auch nicht mit einer guten Sache; dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazu gehört“. Dündar und Gül haben einfach nur ihren Job gemacht. Fakten recherchiert und veröffentlicht. Nicht mehr und nicht weniger. Und sie zahlen einen hohen Preis dafür im „Journalistengefängnis Türkei“ (Dündar).
Can Dündar ist ein Mann, der für eine Art Journalismus steht, wie ich sie heute manchmal vermisse, wenn manche Vertreter der journalistischen Zunft in TV und Presse belehrend ihr Sendungsbewusstsein ausleben. Aber auch das ist im Paket „Freiheit der Medien“ mit drin.
Oder wie es S.E. Erzbischof Dr. Heiner Koch in seiner “Leipziger Rede zur Medien- und Pressefreiheit“ gestern formulierte: „Freiheit kann nicht nur gelingen, sie kann auch misslingen. Sie kann nicht nur gebraucht werden, sie kann auch missbraucht werden. Sie lässt sich überspannen und kann sich selbst verfehlen. Und: Sie kann sich schuldig machen, Schuld auf sich nehmen, indem sie sich – statt die eigene Freiheit und die der anderen anzuerkennen – gegen sich selbst oder andere Freiheiten richtet. Achte ich wirklich die Grundüberzeugungen, Werthaltungen und Lebenseinstellungen des anderen, oder denke ich im Grunde genommen gering von ihm? Respektiere ich seine abweichende Meinung, oder suche ich ihn heimlich doch zu majorisieren, im unguten Sinne zu missionieren, meine eigene Sichtweise zu monopolisieren? Ist ein Journalismus noch frei, der sich von politischen und wirtschaftlichen Interessengruppen, vom Druck auch der journalistischen Mehrheitsmeinung einspannen lässt?“
Erzbischof Koch ging auch auf den den Wandel ein, den die katholische Kirche bei ihrer Haltung zur Meinungsfreiheit vollzogen hat.
Von “vollkommen übermäßiger Meinungsfreiheit” schrieb noch Papst Gregor XVI. in der Enzyklika “Mirari vos”. „Staatswesen, die in Reichtum, Macht und Ruhm blühten, fielen durch dieses eine Übel erbärmlich zusammen, nämlich durch zügellose Meinungsfreiheit, Redefreiheit, Neuerungssucht“, stellte er fest.
Seit dem Vaticanum II bekennt sich die katholische Kirche endgültig zur „Hohen Bedeutung der Freiheit“. In „Gaudium et Spes“ heißt es „Aber nur frei kann der Mensch sich zum Guten hinwenden. (..) Die Würde des Menschen verlangt daher, dass er in bewusster und freier Wahl handle, das heißt personal, von innen her bewegt und geführt und nicht unter blindem innerem Drang oder unter bloßem äußerem Zwang.“
Dass ein Religionsführer über Freiheit spricht, statt über Verbote während die Polizei mit im Saal ist und Beifall klatscht(Polizeipräsident Merbitz saß in Reihe 1), das wünsche er sich für sein Land auch, so Can Dündar in seiner Dankesrede.
Und ja, ich wünsche ihm das auch. Aber der Weg dorthin wird wohl leider noch etwas dauern.
Schreibe einen Kommentar