Seit einigen Wochen verfolgt er mich wieder, dieser Marx.

Begonnen hat es mit einem Beschluss des Leipziger Stadtrates im Oktober. Die Linksfraktion wünschte sich eine Gedenktafel zur Erinnerung an den Druck der Erstausgabe „Das Kapital“ von Karl Marx in Leipzig. Eine Mehrheit im Leipziger Stadtrat hielt das auch für wichtig. Bezahlen sollten den Spaß aber nicht die Leipziger Steuerzahler, sondern Marxliebhaber in aller Welt. Also verfasste das Kulturdezernat einen Bettelbrief und stellte ihn ins Internet. Je nach politischer Nähe zu den Fiktionen des Herrn Marx fanden das die kommunalpolitischen Akteure mehr oder weniger sexy, teilten das auch öffentlich mit und die Lokalpresse hatte kurz vor Weihnachten noch mal was zu schreiben.

Ziemlich ansprechend findet Kardinal Reinhard Marx die Theorien seines Namensvetters, zumindest „in einigen Bereichen in der Analyse“. Jedenfalls lässt er sich mit der Äußerung zitieren, Karl Marx habe durchaus recht damit gehabt, „was er über die Akkumulation des Kapitals und den Warencharakter der Arbeit sagte“. Ich glaube, damit ist die Hochwürdigste Eminenz für die Verleihung des nächstjährigen Alfred-Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaftswissenschaften gut im Rennen.

Auch ich finde einen Satz von Karl Marx total überzeugend: „Der wirkliche Reichtum eines Menschen ist der Reichtum seiner wirklichen Beziehungen“. Ich kann bestätigen, dass dieser Satz den Praxistest tatsächlich bestanden hat. Und zwar – um mit Adenauer zu sprechen – in der Soffjetzone, wo ich 17 Jahre meines Lebens verbringen durfte.  Dort war man bis 1989 eifrig mit der Umsetzung marxistischer Wirtschaftstheorien beschäftigt, wie man mir während meiner schulischen Laufbahn versicherte.

In Mutters Rezeptebuch fand ich nun kurz vor Weihnachten obigen, in den 80ern aus der LVZ ausgeschnittenen Backtip. Offensichtlich hat die Einsenderin den Satz des Herrn Marx aus Trier nicht wirklich verinnerlicht. Ansonsten hätte sie entweder die richtigen Beziehungen gehabt, um irgendwo Marzipan oder wenigstens Mandeln zu ergattern, oder aber Derartiges im Westpaket geschickt bekommen. Ohne den von Marx beschriebenen „Beziehungsreichtum“ musste der gemeine Ostzonenbewohner dummerweise auf billige Simulationen zurückgreifen. Aus meinem früheren Leben als Bäckerlehrling sind mir hier noch solch leckere Produkte wie Kandinat T und Kandinat M, Legupan, Resipan und Nakapan bekannt. Und das Zeug fand ich ungefähr genauso cool wie die Theorien des Herrn Marx und ihre praktischen Auswirkungen.

Jedenfalls möchte ich künftig nicht mehr mit Marxismus belästigt werden, weder theoretisch, noch in der Praxis.  Für alle Freizeit- und Hobbymarxisten hierzulande empfehle ich aber gern dieses Portal: http://www.reisen-nach-nordkorea.de.